Verhör

"Herr Peter zum Verhör"

"Das Fotografieren von Eisenbahnanlagen ist auf dem der Öffentlichkeit zugänglichen Gelände der Deutschen Reichsbahn gestattet." So oder so ähnlich wurde die Aufhebung des Fotografier-Verbotes ab 1973/1974 bei der Deutschen Reichsbahn in den Westdeutschen Eisenbahn-Zeitschriften publiziert. Natürlich gab es Ausnahmen bei Grenzanlagen, Militäranlagen etc.

Tatsächlich sieht der Wortlaut der zitierten Verfügung etwas anders aus. Hierin wurde aufgeführt, was genehmigungspflichtig ist: "Film-, Foto und Fernsehaufnahmen von Objekten, Bahnanlagen und Fahrzeugen, die sich auf dem der Öffentlichkeit nicht zugänglichen Gelände befinden, (sind genehmigungspflichtig)."

Danach war es wohl erlaubt, eine 01 mit großen Ohren im Ostbahnhof direkt am Bahnsteig zu fotografieren. Jedoch nicht, wenn sie mit ihrem Zug auf dem Durchfahrgleis am Bahnhof Warschauer Straße vorbeirauschte. Es kam wohl darauf an, wo sich das Objekt und nicht der Fotograf befand. Und im Zweifelsfall hätten wohl sowieso die Ausnahmen gegriffen. 

Als Eisenbahnfreund kam ich in der DDR fast regelmäßig in Konflikt mit mal mehr oder weniger freundlichen Hinweisen von Eisenbahnern, Reisenden oder den "Organen", das Fotografieren von Loks oder Zügen unverzüglich einzustellen. Einen Kontakt habe ich in meiner Geschichte "Vopos in Wuhlheide" beschrieben.
Hier geht es zu meiner Geschichte Vopos in Wuhlheide
Auch Tauschsendungen mit Modellbahnfreunden in der DDR kamen bei mir regelmäßig vom Zoll geöffnet an. Zum Glück war Immer alles unbeschädigt und es hat nie etwas gefehlt!

Nach der Grenzöffnung interessierten mich die über mich in der DDR gesammelten Daten. Ich habe deshalb am 01.August 2013 einen "Antrag auf Auskunft, Einsicht in Unterlagen sowie Herausgabe von Duplikaten von Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik" bei "Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik" gestellt. 

Mit Schreiben vom 13. August 2013 erhielt ich die Eingangsbestätigung, sowie vom 10. September 2013 die Information, dass Recherchen in den Karteien und Datenbanken der Zentralstelle Berlin und der Außenstelle Chemnitz ergeben haben, dass Unterlagen vorhanden sein können, und dass wegen der hohen Anzahl der vorliegenden Anträge mit einer Wartezeit von voraussichtlich drei Jahren zu rechnen sei.

Mit Datum vom 15. August 2013 erhielt ich im August 2015 die Unterlagen zugesandt. Wegen des geringen Umfangs wurden mir die Kopien kostenfrei zur Verfügung gestellt.

Es existiert eine von einem Major und einem Oberleutnant unterschriebene "Information".

Wie war es dazu gekommen?

Wie in meiner Geschichte "Schneesturm im Dampflokparadies beschrieben...
Hier geht es zu meiner Geschichte Schneesturm im Dampflokparadies
...hatten wir bei früheren Dampfloktouren in Berlin einen Eisenbahnfan aus Ostberlin kennengelernt. Er hatte mir ein Kursbuch der Deutschen Reichsbahn geschenkt, das leider nicht immer auf jedem Bahnhof zu kaufen war. 

Im Gegenzug wollte ich ihm ein Kursbuch der Deutschen Bundesbahn mitbringen. Ich habe ihn darauf hingewiesen, dass ich das Kursbuch bei der Einreise deklarieren muss. Es hatte ein paar hundert Seiten und war fast 1,5 kg schwer. Das ließ sich nicht so einfach in den Socken oder der Unterhose verstecken. Außerdem würde ich dann hundertprozentig nach dem Empfänger gefragt. Er war damit einverstanden seinen Namen und die Anschrift bei Nachfrage angeben zu dürfen.

Also stapfte ich durch den Schnee zum Übergang Heinrich-Heine-Straße, wo mitten auf einer Durchgangsstraße ein Grenzübergang eine Stadt in zwei verschiedene Staaten aufteilte. Eine heute kuriose Vorstellung, dass die Königsallee in Düsseldorf oder die Prager Straße in Dresden an der Grenze zu einem anderen Land enden würden.

Nach ordnungsgemäßer Deklaration der mitgeführten Gegenstände wurde ich in einen fensterlosen Raum gebracht und gefühlt mindestens eine halbe Stunde lang allein gelassen, und somit "vorgekocht", bevor ich von einem netten Herren zu harmlosen Themen befragt wurde. Die Prozedur dauerte zusätzlich eine weitere gute Stunde. Ich durfte das DB Kursbuch nicht mitnehmen, weil es wohl gegen die folgende Vorschrift verstieß:
"Bei Einreise nicht zulässige Gegenstände: Literatur und sonstige Druckerzeugnisse, deren Inhalt gegen die Erhaltung des Friedens gerichtet ist oder deren Einfuhr in anderer Weise den Interessen des sozialistischen Staates und seiner Bürger widerspricht."

Ob das Kursbuch gegen die Erhaltung des Friedens gerichtet war oder in anderer Weise den Interessen des sozialistischen Staates und seiner Bürger widersprach traute ich mich nicht zu erfragen. Nach dem Konsum vieler Agentenfilme war meine Vermutung, dass die Angst bestand, dass in den langen Zahlenreihen Geheimcodes versteckt sein könnten. Ich erhielt eine Quittung, so dass ich das Kursbuch abends bei meiner Ausreise wieder mitnehmen konnte. Hier ging die Befragung wieder los: "Wieso? Weshalb? Warum? Für Wen? etc. " Auf meinen Einwand, der Kollege hätte doch schon morgens alles notiert, erhielt ich die Antwort: "Hier wird nichts notiert!"

Na ja, überzeugt Euch selbst:
Ich hatte natürlich ein sehr mulmiges Gefühl bei der Sachverhaltsfeststellung. Die Beteiligten haben in diesem Fall wohl nur Ihre Pflicht getan und formal war sicher alles korrekt. Doch als 20-Jährigem ging mir damals ganz schön die Muffe.

Bei der Ausreise mit meinem roten R 4 am übernächsten Tag wurde zwar der gesamte Inhalt meines Wagens in einer separaten Garage auf den Kopf gestellt. Aber da hatte ich mich schon etwas an die meist nur psychologische Einschüchterung (z. B. durch die Befragungen und Untersuchungen in den geschlossenen Räumen) gewöhnt.
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